2000 Wörter pro Stunde – klar, was sonst

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Kleiner Einblick in die Welt des Texter-Alltags: Es geht um eine der vielen Preisdiskussionen, die im Web immer mal hier und da aufflackern.

In dieser Diskussion auf Facebook kam nach einigem Hin und Her folgende Rechnung auf:

„Also bei den Angeboten von 2 Cent pro Wort, sind wir aber nicht mehr soweit von einem Stundensatz von 40 € entfernt, bzw. liegen wir damit genau auf dem Punkt. Sind genau 2000 Wörter die Stunde und das ist selbst für einen sehr durchschnittlichen Tipper wie mich durchaus zu machen.

Wo soll denn bitte das Problem sein, 2k Wörter in der Stunde rauszuhauen, gerade wenn man etwas vom Thema versteht? Und selbst wenn man die Artikel komplett selbst gestaltet (d.h. mit Bild, YT, etc) sollte doch mindestens ein Artikel in der Stunde drin sein und hat man dann auch gleich den Fotografen und den Kameramann gespart. Ist ja nicht so, dass die klassischen Journalisten pro Tag 500 Wörter tippen und sich dann am Jahresende mit Pulitzerpreisen überhäufen können. Wie gesagt, der Markt formt den Preis und wenn ich eben nicht bereit bin für einen Artikel 100.- € zu zahlen, nur weil der Texter 5 Wörter in der Minute tippt, sollte das auch verständlich sein.“

2000 Wörter in 1 h sind also kein Problem… Ein Texter-Kollege half mit einer einfachen Gegenrechnung aus: „2k Wörter pro Stunde sind schlicht unmöglich. Das wären umgerechnet 300 bis 400 Anschläge/Minute. Will ich sehen.“ Ich ergänze: 2000 Wörter in 1 h bedeuten 33 Wörter in 1 Minute. Denken, recherchieren, inhaltlicher Aufbau und Struktur des Textes fallen also weg, braucht niemand. Oder, der Texter ist ein Roboter, der alle Texte eigentlich schon fertig im Kopf hat und sie nur runtertippen muss. Der Texter als Tipper. Doch Einsicht war Fehlanzeige. Man antwortete folgendermaßen:

„Ich kann Eure Meinung verstehen und auch, dass ihr Euch hier gegenseitig unterstützt. Es gibt eben trotzdem nur wenige Parameter. bei dem Thema: 1. Output pro Stunde 2. Erfolg der Texte und Einnahmen für den Einkäufer 3. Verdienst des Texters pro Wort 4. Qualität der Texte.
Anscheinend bezieht sich hier jeder auf den Wortpreis und da wird nicht auf die anderen Punkte eingegangen. 4. Qualität der Texte, warum sollte ich einen Texter nehmen, wenn die mir auch ein Fachmann auf seinem Gebiet ohne Recherche schreiben kann? Warum also keine Spezialisierung? 2. Das volle Risiko für den Erfolg trägt der Auftraggeber und nicht der Schreiber, u.U. riskiert er eben Folgeaufträge. 1. Output pro Stunde, da scheinen sich ja die Geister zu scheiden.
Warum ich wegen meiner eigenen Erfahrungen angegangen werde, kann ich da nicht ganz verstehen: da wird ganz automatisch davon ausgegangen, die Quali würde nicht stimmen oder die Leute würden es nicht lesen, usw. Da dürft ihr sicherlich glauben, was ihr möchtet, aber vielleicht nutzt der eine oder andere auch die Chance einen Blick über den eigenen Tellerrand zu riskieren oder sein eigenes Handeln zu hinterfragen.“

Offensichtlich handelte es sich bei diesem Poster nicht um jemanden, der beruflich Texte verfasst, sondern um einen Auftraggeber, der sich seinen Wortpreis zu Ungunsten der Texter zurechtbiegt.

Wir machen uns schön vor, der Texter bekäme einen Stundenlohn von 40 Euro. Wir wollen ihm aber nur 2 Cent/Wort zahlen (Fotos suchen und einbauen wären idealerweise mit  drin im Preis) und rechnen uns dann aus, dass er halt 2000 Wörter in der Stunde schaffen muss.. Mit der Realität hat diese Rechnung absolut nichts gemeinsam.

Aus meiner täglichen Praxis möchte ich hier allen, die es interessiert, vorrechnen: Ich schaffe hin und wieder 750-1000 Wörter in einer Stunde. Dabei handelt es sich um einfache Themen, bei denen ich den Inhalt leicht recherchiert habe oder gar nicht recherchieren muss und die Texte nur so runtertippen kann. Zeit für einen guten Aufbau, eine dramatische Struktur, Layout und sorgfältige Recherche bleibt dabei aber nicht. Es gibt solche einfachen Aufträge, aber selbst diese hält man nicht mehrere Stunden durch. Fakt ist: Ich schaffe es nicht, mehrere Stunden hintereinander 750 Wörter die Stunde runterzuhauen. Punkt. Und langsam arbeite ich nicht, ebenso geht das Tippen logischerweise fix.

Also kleiner Aufruf an solche Auftraggeber: Rechnet bitte fair aus, was Eure Texter in 1 h verdienen können! Denkt bitte auch daran, dass man bei jeder Arbeit kleine Pausen braucht. Texten ist geistige Arbeit und keine reine Tipperei. Selbst wenn Ihr ausprobiert habt, was Ihr selber in 1 h schaffen könnt, denkt bitte daran, dass man diese Arbeit dann jeden Tag mehrere Stunden macht.. dann sieht die Rechnung schon wieder ganz anders aus.

Ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Ich danke meinen Auftraggebern, dass sie nicht so rechnen und mir schöne und interessante Aufträge zukommen lassen! Teamwork erzielt die besten Ergebnisse.

5 Kommentare zu 2000 Wörter pro Stunde – klar, was sonst

  1. Diese Angaben decken sich ziemlich genau mit meinen Erfahrungen. Man kann vielleicht 1200 Wörter die Stunde schreiben, aber spätestens ab 750 sinkt die Qualität.

  2. Qualität schlägt hier Quantität. Eine gute Recherche benötigt Zeit. Der Text sollte einen Mehrwert für den Kunden bieten und das benötigt Zeit und einen klaren Kopf.

  3. Sehr toller Artikel.

  4. Ich bezweifle sogar 750 Wörter pro Stunde… was soll denn dabei herauskommen? Wo ist Da noch Zeit für die Recherche…
    Aber insgesamt kommt es für mich auch auf die Art des Textes an. Werbetexte, die inhaltlich fundiert sein sollten oder z.B. eine typische „How-To“-Anleitung lassen sich ja manchmal recht schnell runterschreiben, aber sobald man zu verschiedensten Themen schreiben muss, benötigt die Recherche einiges an Aufwand.

    Auch ist am Ende die Frage ob man so nicht provoziert, dass die Texte einfach aufgebläht sind, um einen hohe Wortzahl zu erreichen.

  5. Kann ich nur so bestätigen! Ich selbst schreibe auch unglaublich viele Texte aber 2000 Wörter in der Stunde sind unmöglich! Bei uns in der Agentur verlangen wir deshalb mindesten 6 Cent pro Wort.

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